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Gewinner der Kategorie „Landwirtschaft“ 2021

Bei Landwirt Franz Lehner aus Niederbayern sind Blühwiesen für Wildbienen und Wildtiere fester Bestandteil der Betriebsflächen. Durch Blühpatenschaften ermöglicht er es, dass auch Menschen ohne eigenes Land etwas für die Artenvielfalt tun können. Dafür erhält er den #beebetter-Award 2021 in der Kategorie "Landwirtschaft".

MEIN SCHÖNER GARTEN-Autorin Vanessa Engel

29.10.2021 - 20:32 Uhr

Lesezeit: 12 Min.
Impressionen von den Blühflächen der Familie Lehner
Foto: Franz Lehner
Inhaltsverzeichnis
Gewinner der Kategorie „Landwirtschaft“ 2021

Das Projekt - kurz & knackig

Seit Jahren schon legt Franz Lehner auf seinen landwirtschaftlichen Flächen in Rain, im Landkreis Straubing-Bogen, Gewässerrandstreifen an. Auch blühende Bänder rings um die Maisfelder säumen bereits jahrelang den Rand seiner Felder. „Das ist gut für die Insekten und schön für die Menschen“, so der Landwirt. Vor drei Jahren kam er schließlich auf die Idee, zusätzlich auch noch Blühwiesen anzulegen. Auslöser für das Projekt "Blühpatenschaft - Ihr Bauer von nebenan" war das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern.

Für diese blühenden Areale bietet der „Bauer von nebenan“ seit 2019 Patenschaften an. Inzwischen gibt es rund 200 Blühpaten aus der ganzen Bundesrepublik, von München bis Oldenburg, die sich an dem Projekt beteiligen und eine Blühfläche von 28.000 m² unterstützen. Insgesamt standen in diesem Jahr sogar  55.000 m² von Familie Lehner mit verschiedenen Blühmischungen für die Insektenwelt zur Verfügung – ganz ohne chemische Pflanzenschutzmittel oder Dünger. 

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Beweggründe

Nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat Franz Lehner begonnen, Blühpatenschaften anzubieten. Artenschutz und Biodiversität betrachtet er als gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht von Landwirten allein getragen werden sollten. "Bei meinem Projekt können sich Menschen beteiligen, die selbst keine eigenen Flächen haben, aber trotzdem Gutes für Insekten tun wollen.“

"Viele Menschen würden gerne mehr für die Artenvielfalt tun, haben aber selbst keine Flächen. Und genau hier setze ich an. Ich stelle zusätzliche Flächen zur Verfügung, aber, und das ist eine meiner zentralen Botschaften, ich kann nicht alles für umsonst machen, denn am Ende des Jahres habe ich auch eine Familie zu ernähren."

Infotafel zu Blühpatenschaften
Foto: Franz Lehner

Projektbeschreibung

Blühpatenschaft - Ihr Bauer von nebenan

Das Projekt startete Franz Lehner 2019 auf einer Fläche, die er allerdings nur ein Jahr nutzen konnte. So musste er 2020 eine neue Fläche suchen, auf der er dann erstmals Blühpatenschaften über einen Zeitraum von drei Jahren vergeben konnte. Das bedeutet, dass die angelegten Flächen, und somit auch der wertvolle Lebensraum für Wildbienen und andere Tiere, mindestens ebenso lange bestehen bleiben. „Vorerst zumindest, denn ich plane das Projekt auch über 2022 hinaus weiterzuführen und hoffe, dass die Blühpaten mit dabeibleiben“, so der Landwirt.

Blühflächen vom Bauer von nebenan
Foto: Franz Lehner

Die verwendete Blühmischung „Veitshöchheimer Bienenweide“ enthält 44 verschiedene Pflanzenarten, die Insekten ein reiches Nahrungsangebot bieten, aber auch andere Tiere anziehen. „Vom Start weg waren Hasen und Fasane tägliche Gäste auf den Blühflächen. Und während des Winterhalbjahres lebten mehrere Rehe in dem Areal und haben es sich gut gehen lassen“, so Franz Lehner. Ein wahrer Traum ist die Fläche jedoch vor allem für Insekten. Dank der ausgewählten Samenmischung blühen viele verschiedene Arten zugleich. Vor allem Hummeln nehmen das Angebot gerne an, aber auch Honigbienen und viele andere Wildbienenarten wie z. B. die graue Sandbiene tummeln sich an den Blüten.

Um die Vielfalt von Flora und Fauna noch zu erhöhen, werden Teile der Gesamtfläche nach und nach neu eingesät. So erhöht sich einerseits die gesamte Diversität, während der Großteil der Blühfläche unberührt bleibt und Insekten, Vögeln sowie Wildtieren weiterhin Unterschlupf bietet. 

„In den letzten drei Jahren habe ich sehr viel dazugelernt. Besonders beeindruckt war ich davon, dass die Natur jede noch so kleine Möglichkeit nutzt, Lebensraum zurückzuerobern, wenn man sie nur lässt“, so Franz Lehner.

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Lehr- und Erlebnispfad

In der ersten Zeit hat Franz Lehner immer wieder beobachtet, wie einzelne Spaziergänger durch die Blühwiese liefen und Fotos machten. „Es ist zwar schön, wenn sich Menschen für dieses Projekt interessieren, aber die Insekten und Wildtiere in der Fläche sollten besser nicht allzu stark gestört werden.“ Außerdem fragten Anwohner und Spaziergänger immer wieder, was da denn gerade so schön bunt blühe. Nach längerer Überlegung kam der Betriebsleiter auf eine Lösung für beide Probleme: er legte einen Lehr- und Erlebnispfad an. Neugierige Besucher bleiben so einerseits auf den vorgegebenen Wegen und können sich andererseits über die Bewohner des Feldes informieren. An die 40 Infotafeln hat Franz Lehner schon erstellt und entlang des Pfads verteilt.

Dafür hat er die Flora der Blühwiese fotografiert und beschrieben. Auf Schildern mit der Überschrift "Schau mal, was da blüht..." erfährt man wie verschiedene Pflanzen wachsen, blühen, welchen Wert sie für Wildbienen, andere Insekten oder auch uns Menschen haben. Unter der Überschrift "Ich bin hier auch zuhause..." finden sich zwischen den Pflanzen auch immer wieder Tafeln mit Informationen über die heimische Fauna.

Am Rand der Blühfläche steht zudem eine "Ruhebank", die zum Rasten und Lauschen einlädt, wenn es auf der Wiese nur so summt und brummt.

Wiese in voller Blüte
Foto: Franz Lehner

Schaffung von Lebensräumen

Mit dem Ziel, das blühende Areal weiter aufzuwerten, hat der engagierte Landwirt zusätzliche Einzelprojekte verwirklicht und u.a. Lerchenfenster sowie Schwarzbrache-Streifen angelegt. Diese offenen Stellen dienen als Anflugschneise und Brutplatz für Vögel, sind aber auch für Wildbienen interessant, da der Boden stellenweise offen und leicht sandig ist. Ein kleiner Streifen mit Getreide im doppelten Reihenabstand erfüllt denselben Zweck: er begünstigt die Aufzucht von Jungvögeln, die mühelos zwischen den Reihen umherlaufen können und dabei stets in Deckung sind. Das Korn wird nicht geerntet, sondern verbleibt auf dem Acker, wo es der hungrigen Tierwelt als Nahrung dient. Totholzhaufen und Lesesteinhaufen bereichern den Lebensraum und bieten verschiedenen Wildbienen sowie Wildtieren Unterschlupf. 

Lebensraum Totholz
Foto: Franz Lehner

Wissensvermittlung

„Es war mir wichtig, die Menschen bei meinem Projekt von Anfang an mitzunehmen. Daher informiere ich meine Blühpaten regelmäßig durch Rundbriefe darüber, was sich gerade auf 'ihrer' Wiese tut.“ Unter der Adresse ihrbauervonnebenan.de finden Neugierige und Interessenten zudem ausführliche Infos zu den Flächen und den Patenschaften. Zusätzlich berichtet der „Bauer von nebenan“ seit dem Start des Projekts im Jahr 2019 via Facebook und Instagram (@ihrbauervonnebenan) von neuesten Entwicklungen. Einmal im Jahr lädt der Landwirt seine Blühpaten außerdem zu einem Blühwiesenabend ein, damit sich diese direkt vor Ort ein Bild machen können.

Hummel im Landeanflug
Foto: Franz Lehner

Kooperation & Zusammenarbeit

Am Anfang hatte Franz Lehner weder Helfer noch Unterstützer, im Gegenteil: „Als ich mit den Blühpatenschaften begann, hatte ich viele Gegner oder Neider, die mir Geldmacherei vorwarfen“, so der Landwirt. Das hat sich zum Glück inzwischen geändert. Rund 200 Blühpaten, die das Projekt ökonomisch tragen, sprechen für das Vorhaben und dessen Erfolg. Mithilfe von Rundbriefen und Social-Media berichtet Franz Lehner von seiner Arbeit, um bestehende Gräben zwischen Landwirten und Verbrauchern zu überbrücken. So sollen gegenseitige Achtung und Wertschätzung entstehen können. „Mein Team ist meine Familie, meine Frau und meine drei Söhne. Mit ihnen bespreche ich meine Ideen und setze sie um.“ Von fachlicher Seite wird der Unternehmer unterstützt von der Biodiversitätsberaterin Martina Kiermaier und dem Wildlebensraumberater Hans Laumer.

Franz Lehner arbeitet überdies mit den Machern der Plattform Combayn zusammen, die Blühpatenschaften vermitteln. „Das Unternehmen habe ich von Anfang an fachlich begleitet, da jemanden gesucht wurde, der bereits Erfahrung in Sachen Blühpatenschaften hat und bereit war, diese in das Projekt einzubringen.“ Für diese Kooperation hat der Landwirt eine weitere Blühwiese mit 10.500 m² angesät. Die ausgewählte Fläche liegt direkt an einem Bachlauf und grenzt unmittelbar an ein kleines Laubholzwäldchen. In diesem Wald bleiben abgebrochenen Äste liegen und schaffen als Totholz Lebensraum für Insekten. Die ruhige Lage und der Bach werten die Fläche zusätzlich auf und bieten hervorragende Voraussetzungen für Wildtiere.

Nachhaltigkeit

„Für meine Projekte ist die Nachhaltigkeit oberstes Gebot. Alle drei Säulen müssen im Einklang sein, das heißt Ökologie, Ökonomie und der soziale Aspekt sollen gleichwertig und gleichrangig sein.“ Mit seinen Unternehmungen, vor allem aber durch seine Bemühungen, mehr gegenseitige Achtung und Wertschätzung zu erreichen, sieht sich Franz Lehner auf einem guten Weg. Durch die vielen Patenschaften und die zahlreichen kleinen Zusatzprojekte ist es ihm bereits gelungen, eine Oase der Natur zu schaffen. „Den Artikel über mein Engagement für die Biodiversität im Juli 2021 betitelte das Straubinger Tagblatt mit 'Ein Feld voller Leben' – eine Überschrift, die mir große Freude bereitet, denn genau das war und ist mein Ziel.“

Franz Lehner mitten in der Blühwiese
Foto: Franz Lehner

Weitere Pläne & Ziele

In Bayern wurde mit der Gesetzesänderung durch das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ auch beschlossen, dass Schulen eine Projektwoche zum Thema „Landwirtschaft – Schule fürs Leben“ anbieten sollen. Dabei kommen die Klassen in der Regel zu den Betrieben. „Im Zuge dessen werde ich Schulklassen durch meine Blühwiese führen und viel Aufklärungsarbeit leisten können“, sagt der Landwirt erfreut. Es war geplant, dass diese Projektwoche für die Schulen im Frühjahr starten, doch leider konnten sie wegen der Pandemie nicht durchgeführt werden. „Im nächsten Jahr soll sie allerdings fester Bestandteil des Schulplans sein und ich freue mich, dabei sein zu können. Mir ist es wichtig, junge Menschen zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln, wie wertvoll die Natur ist.“ Mit seinem Beitrag möchte der #beebetter-Gewinner vor allem das Bewusstsein dafür schärfen, dass gerade die Bienen enorm wichtig für uns Menschen sind.

Der Umfang der Blühwiesen soll weiter ausgebaut werden. Dazu plant Franz Lehner gezielt Flächen auszuwählen, die eine Biotopvernetzung ermöglichen. Auch in den bestehenden Flächen sollen immer wieder Inseln geschaffen werden, die die Vielfalt durch heimische Wildblumen und Wildkräuter erhöhen. "Außerdem ist mir der 'Blühwiesen-Lehr- und Erlebnispfad' sehr wichtig. Vor allem weil er dazu beiträgt, Kinder und Jugendliche sowie alle interessierten Mitbürger für mein Projekt, die Bienen und die Natur zu begeistern."

Phacelia lockt Hummel
Foto: Franz Lehner