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Gewinner der Kategorie „Landwirtschaft“ 2022

Jochen Kanders aus Uedem in Nordrhein-Westfalen hat längst verstanden, wie wichtig Bienen für Landwirtschaft und Umwelt sind. Einen Teil seiner Flächen hat er in blühende Landschaften verwandelt, um Lebensraum für Insekten, Vögel und heimisches Niederwild zu schaffen. Für sein umfassendes Engagement erhält er den #beebetter-Award 2022 in der Kategorie "Landwirtschaft".

MEIN SCHÖNER GARTEN-Autorin Vanessa Engel

22.09.2022 - 16:12 Uhr

Lesezeit: 11 Min.
Bienenweide statt Blumenstrauß
Foto: Jochen Kanders
Inhaltsverzeichnis
Gewinner der Kategorie „Landwirtschaft“ 2022

Das Projekt - kurz & knackig

Wo sich zuvor monotone Maisreihen wuchsen, entfaltet sich nun alljährlich ein bunter Blütenreigen aus unterschiedlichsten Blühpflanzenarten. Seit Landwirt Jochen Kanders vom Welleshof im Jahr 2019 beschlossen hat, einen Teil seiner Flächen mit ein- und mehrjährigen Pflanzen statt mit Getreide zu bestellen, haben sich insgesamt rund 36.000 Quadratmeter in blühende Landschaften verwandelt. Neben eigenen Blühflächen bewirtschaftet und pflegt er fünf Flächen, die größtenteils durch Blühpatenschaften finanziert werden. Über 470 verschiedene Arten, davon 324 Insektenarten, darunter 36 Bienenarten, haben sich seither nachweislich auf den Flächen angesiedelt.

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Zusätzlich zu den Blühflächen hat Jochen Kanders zusammen mit der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft ein Bodenbrüter-Projekt ins Leben gerufen. Über 18.500 Quadratmeter dienen nunmehr zur Förderung von Vögeln und Insekten gleichermaßen. Doch damit nicht genug: In Kooperation mit dem örtlichen Jagdaufseher hat der engagierte Landwirt die Idee von vernetzten Biotopen angeregt und umgesetzt. Somit schafft er durch seine Arbeit und seinen tatkräftigen Einsatz auch noch Lebens- und Rückzugsräume für heimisches Niederwild wie Feldhase, Fasan, Feldlärche und Rebhuhn.

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Foto: Jochen Kanders
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Beweggründe – das steckt dahinter

„Meine Erfahrungen mit den Blühergebnis und den vielen Insekten, die ich bisher gesammelt habe, haben mich „gierig“ gemacht. Ich finde es neben dem Umweltaspekt einfach schön, Flächen zu sehen, die vom Frühling bis in den späten Herbst hinein blühen und so viele Insekten anziehen“, sagt Jochen Kanders und fährt fort: „Die Idee, Blühpatenschaften anzubieten, habe ich 2019 aufgegriffen, als in Bayern das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ aktuell war. Damals hatte ich schon zwei Jahre lang Bieneweide-Saatgut auf circa 15.000 Quadratmeter ausgebracht und war erstaunt, wie es in der Fläche summt und brummt. Dieses Erlebnis wollte ich auch anderen Menschen anbieten.“ 

Jochen Kanders
Foto: Landwirt schafft Leben GmbH

Projektbeschreibung

Blühpatenschaften

Jochen Kanders bewirtschaftet auf dem Welleshof etwa 3,5 Hektar Grünland, 82 Hektar Acker sowie 13 Hektar Wald. Seit 2017 sät der Landwirt auf einem Teil seiner Betriebsflächen heimisches Saatgut aus, um sie in blühende Landschaften für Wildbienen und andere Insekten zu verwandeln. Seit 2019 bewirtschaftet und pflegt er die Blühflächen mit der Unterstützung von Blühpatenschaften. Mithilfe von 135 Blühpaten unterhält er inzwischen 20.620 Quadratmeter auf fünf Flächen. Hinzu kommen 15.222 Quadratmeter eigener Flächen, die er ebenfalls mit der Veitshöchheimer Bienenweide bestellt, einer artenreichen und ausdauernden Mischung, die Bienen, Hummeln und Schmetterlingen reichlich Nektar und Pollen bietet. In den auf- und ausgeräumten Agrarlandschaften von heute bieten die Blühflächen von Jochen Kanders einer Vielzahl von Tieren Nahrung, Schutz und Lebensraum. 

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Foto: Hermann-Josef Windeln
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„Was mein Projekt so einzigartig macht, ist die Kartierung der Insekten. Dadurch können wir schwarz auf weiß belegen, welche Arten vorkommen und ob unsere Maßnahmen überhaupt fruchten. Außerdem lässt sich die weitere Vorgehensweise auf die gefundenen Insekten abstimmen und gezielter vorantreiben“, so der #beebetter-Gewinner. Seit rund drei Jahren nimmt sich Hermann-Josef Windeln der Blühflächen an. Der pensionierte Biologielehrer und Insektenkundler ist Blühpate erster Stunde und zudem Vorsitzender der NABU-Ortsgruppe Issum-Geldern, im Vorstand des NABU Kreisverbandes und Mitglied des Entomologischen Verein Krefeld. Dank seiner unermüdlichen, ehrenamtlichen Zählarbeit lässt sich nachvollziehen, dass das Leben auf den Blühflächen in den letzten Jahren förmlich explodiert ist und in welchem Ausmaß das Projekt zur Förderung der Vielfalt beiträgt. Über 470 verschiedene Arten hat Hermann-Josef Windeln bisher gezählt, darunter 36 Bienenarten, von denen wiederum neun Arten auf der Roten Liste stehen.

Hermann-Josef Windeln beim Kartieren der Blühflächen
Foto: Jochen Kanders

Neben Nahrung, Baumaterial sowie Nist- und Überwinterungsmöglichkeiten in Form von Pflanzen, möchte Jochen Kanders den Wildbienen möglichst auch Wasserstellen und verschiedenartige Nistplätze anbieten. Deshalb achtet er bei der Auswahl der Blühflächen auf passende Gegebenheiten. „Da etwa 70 Prozent der Wildbienen im Boden nisten, suche ich offene Flächen in der Nähe meiner Bienenweiden, die den Bienen als Brutmöglichkeiten dienen können“, so der Landwirt. Durch besonnene Pflegemaßnahmen wie das späte Mulchen und die Schaffung von grünen Brücken (ein Drittel der Fläche bleibt stehen), fördert Jochen Kanders das Wildleben langfristig. Zusätzlich versucht er einige Areal durch Nährstoffentzug gezielt abzumagern, um sie für eine Vielzahl heimischer Pflanzen attraktiver zu machen.

Jochen Kanders beim Mulchen
Foto: Jochen Kanders

Vernetzte Biotope

Aus dem Vorhaben des Jagdaufsehers, Deckung und Rückzugsorte für das Niederwild zu schaffen, entwickelte Jochen Kanders die Idee von vernetzten Biotopen aus Blühpflanzen. „Ich erstellte einen Flächenplan, der örtlich zusammenhängende und für die Landwirte unwirtschaftliche Flächen oder Teilstücke aus der Produktion nimmt, um sie in Lebensräume für Tiere zu verwandeln.“ Durch die verknüpften, lebendigen Korridore sind heimische Wildtiere wie Feldhase, Fasan, Feldlärche und Rebhuhn auf ihren Streifzügen, bei der Futtersuche und bei der Nachwuchspflege besser geschützt. Für sein Engagement im Rahmen der „vernetzten Biotope“ wurde Jochen Kanders mit dem 2. Platz beim Wettbewerb für Wiesenvogelschutz 2021 vom Naturschutzzentrum Kreis Kleve ausgezeichnet.

Tagpfauenauge
Foto: Jochen Kanders

Bodenbrüter Projekt

„Die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft suchte 2020 einen langfristigen Partner zur Förderung der Insekten und somit auch der Bodenbrüter. Da ich schon sehr gute Erfahrung und großartige Erlebnisse mit solchen Projekten gesammelt hatte, war ich dafür schnell zu begeistern“, sagt Jochen Kanders. Das auf 30 Jahre ausgelegte soll Insekten und Bodenbrüter Nahrung, Rückzugsort und Lebensraum bieten. Dafür suchte der Landwirt ein möglichst zusammenhängendes Areal aus, das sich in die bestehenden Strukturen integrieren ließ und Synergie-Effekte ermöglichte. "In diesem Fall habe ich eine rund 9.500 Quadratmeter große Blühfläche für die Bodenbrüter in die Nähe einer extensiv genutzten Wiese mit Obstbäumen platziert. Dadurch ist ein fast 2,5 Hektar großes Areal entstanden, das eine größere ökologische Wertigkeit besitzt und die Habitate Wiese, Obstbäume und Bienenweide verbindet."  

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Foto: Hermann-Josef Windeln
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Helfer & Unterstützer

In der Anfangsphase haben die Pfadfinder aus Emmerich einen Spendenlauf organisiert und das Blühwiesen-Projekt von Jochen Kanders mit einer Startspritze von über 1000 Euro angekurbelt. „Dadurch wurde die Presse auf mich aufmerksam und fing an, in Zeitungen und im Fernsehen über mein Projekt zu berichten. So konnte ich eine enorme Reichweite generieren.“

Emmericher Pfadfinder
Foto: Jochen Kanders

Tatkräftige Hilfe bekommt der Landwirt unter anderen von der mobilen Einsatztruppe des NABU-Ortsverbandes Issum-Geldern, die ihm beim Entfernen von hartnäckigen Problempflanzen wie Brombeeren helfen. Außerdem erhält Jochen Kanders Unterstützung von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, die ihn im Rahmen des Bodenbrüter-Projekts berät und überdies das benötigte Saatgut bereitstellt.

Doch der größte Beitrag kommt vom Insektenspezialisten Hermann-Josef Windeln und natürlich von den Blühpaten. „Sie ermöglichen mir durch ihren Patenbeitrag den entgangenen Gewinn auf meinen landwirtschaftlichen Flächen zu ersetzten“, erläutert Jochen Kanders. „Momentan habe ich 135 Paten, der größte Teil stammt aus dem Regionalen Umfeld. Einige Paten kommen aber auch aus Monheim, Düsseldorf, Borken, Hamburg, Willich, Voerde, Dormagen oder Leverkusen. Meine wohl „berühmteste“ Patin ist Frau Dr. Barbara Hendricks, ehemalige Bundestagsabgeordnete und Bundesumweltministerin.“ 

Marienkäfer-Larve auf Margerite
Foto: Jochen Kanders

Weitere Pläne & Ziele

„Ein großer Teil meiner Patenschaften läuft dieses Jahr aus. Diese haben eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren, damit ich wirksam arbeiten kann. Ich hoffe das ein großer Teil dieser Paten eine Verlängerung anstrebt. Ich würde mir sogar wünschen, mein Projekt in Zusammenarbeit mit den Paten noch weiter ausweiten zu können", so der Landwirt. Entsprechenden Standorte hat er schon ausgesucht. Doch alles steht und fällt mit den Unterstützern. "Und das in Zeiten, wo der Gürtel wohl enger geschnallt werden muss. Da werden es sich manche Paten leider noch mal überlegen.“ Doch Jochen Kanders bleibt optimistisch und hat bereits allerlei Pläne geschmiedet. Zum einen plant er, Kinder und Jugendliche künftig mehr in sein Projekt einzubeziehen. „Eine Patenschaft haben die Pfadfinder St. Franziskus Uedem inne. Ich plane mit ihnen Wildbienen-Hotels anzufertigen und aufzustellen. Auf meiner To-do-Liste stehen außerdem Sandarien – ein Projekt, das mit den Kindern des Pfadfinderstammes gut gelingen könnte.“

Die Kartierung der Flächen hat ergeben, dass neun der 36 auf den Blühflächen vorkommenden Bienenarten auf der Roten Liste stehen. Diese plant der Landwirt gezielt zu fördern, indem er das Blütenangebot und das Umfeld speziell auf die Bedürfnisse der geschützten Arten abstimmt.

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Foto: Jochen Kanders
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Auch für das Preisgeld hat der #beebetter-Gewinner bereits Pläne: „Prinzipiell würde ich die Vorhaben meines Projektes weiterverfolgen. Außerdem würde ich gerne mal einen Patentag veranstalten, vielleicht mit einer Grillwurst im Brötchen und Getränken für alle. Das lockert die Stimmung und erleichtert es, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. Außerdem würde ich nochmal Bienenweide-Saatgut als Wurfmaterial zu Karneval abpacken und verteilen. Im Jahr 2019 und 2020 habe ich das schon mal gemacht und so jeweils an die 5.000 Beutelchen unters Volk gebracht.“

Im Einsatz für die Artenvielfalt
Foto: Jochen Kanders

Bienenweide statt Blumenstrauß

Mehr über den #beebetter-Gewinner Jochen Kanders, die Blühflächen und die summende Artenvielfalt darauf finden Sie auf der Homepage vom Welleshof. Werden auch Sie Blühpate und unterstützen Sie damit eine bunte Land(wirt)schaft und eine Vielzahl heimischer Wildtiere!